Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) und 360 Grad-Videos werden für Unternehmen sowohl als Produkt als auch im Marketing immer wichtiger. AR hat sich von einer Nischen-Technologie zu einer Lösung entwickelt, an der alle großen Digital-Anbieter arbeiten und die bereits jetzt in vielen Bereichen Einsatz findet. Die Anwendungsszenarien kennen dabei kaum eine Grenze.
Kindermedien arbeiten schon seit mehreren Jahren mit Augmented Reality, so z.B. Carlsen mit LeYo, Ravensburger mit Tiptoi und Space Hawk. Oetinger hat 2015 das Superbuch auf den Markt gebracht. Disneys Malbuch weckt mit einer App ausgemalte Figuren zu bewegten 3D Objekten.
Treiber dieser Trends ist die Gaming Industrie, wo existierende Innovationen zur Reife für den Massenmarkt entwickelt werden. Der durchschlagende Erfolg von Pokémon GO spricht Bände. Aber auch die Automobil-Branche ist Vorreiter in der AR-Entwicklung. Hier ein Beispiel von Audi schon aus dem Jahre 2015!
Vor welchen Herausforderungen stehen vor allem die Medienunternehmen im Bezug auf AR, VR und 360 Grad Videos?
Fabian Kern: Als erstes muss betont werden, welch großes Potenzial diese Technologien für die Medienbranche bietet. Das Feld sollte man nicht den Gaming- und Unterhaltungsanbietern alleine überlassen. Der erste, zentrale Schritt ist – wie bei jedem anderen Projekt auch – eine mediengerechte Produkt-Konzeption. Dabei ist ausschlaggebend, einen Anwendungsfall abzudecken, der für den Nutzer einen echten Mehrwert gegenüber anderen Medien und Anwendungen besitzt. Üblicherweise wird man in der Konzeption mit einer einzelnen Idee für eine Funktionalität oder einen Mehrwert für den Kunden beginnen.
Über die erste Idee hinaus ist es entscheidend für ein gutes Produktkonzept, relativ schnell folgende Fragen schlüssig zu beantworten:
- Was ist die Zielgruppe des Produktes? Eignet sich der Kundenkreis für den Einsatz von innovativen Technologien? Wie sieht die „Technik-Welt“ des Kunden aus?
- Was ist der konkrete Nutzen der Inhalte für den Kunden? Wo bringt die Ergänzung echten Mehrwert gegenüber anderen medialen Aufbereitungen?
- Wie kann das Einsatz-Szenario am Nutzungsverhalten des Kunden ausgerichtet werden? Wie sieht der Anwendungsfall konkret aus und wo kann sich eine AR-App hier optimal einklinken?
- Wozu dient die Ergänzung in Ihrem Geschäftsmodell? Ist ein eigenständiges Produkt das Ziel, dient die AR-Funktion der Aufwertung eines bestehenden Produktes oder eher zur Vermarktung von Content und Produkten?
Warum wächst auf einmal die Akzeptanz von Augmented Reality bei der breiten Bevölkerung?
Martin Adams: Seit 2007, mit Erscheinen des iPhones, haben sich Smartphones stetig weiterentwickelt. Laufend kamen neue Funktionen, neue Sensoren hinzu. Vor ca. zwei Jahren hat das aufgehört. Die bestehenden Funktionen und Sensoren werden verbessert, aber es kommt nichts Neues hinzu (auch Pokémon Go basiert auf einer seit 2009 existierenden Funktion). Wir können mit diesem Stand alles abbilden, was wir für den Massenmarkt brauchen. Was nicht eingebaut ist, können wir hinzukaufen und anstöpseln. Das ist meist aber eher „Nerd-Kram“. Die Folge aus dem „Stillstand“ ist ganz interessant, denn auf einmal holen die Nutzer auf und fangen an, den Funktionsumfang ihres Smartphones zu verstehen. Sie sind nicht mehr mit der ständigen Erweiterung überfordert, sondern lernen, was inzwischen alles möglich ist.
Aber Achtung! Die Nutzer fangen an, eine eigene Erwartungshaltung aufzubauen!
Sie sind inzwischen in der Lage, die Qualität von Apps zu unterscheiden. Und sie strafen schlechte Apps ab, indem sie diese einfach nicht herunterladen.
Wie definiert sich eine gute App?
Martin Adams: Eins ist mal sicher, über eine gute Technologie alleine auf jeden Fall nicht! Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass die Technologie eigentlich keine Rolle mehr spielen dürfte, da wir seit zwei Jahren alle Funktionen kennen. Aber zur Ehrenrettung der Entwickler sei gesagt, der Funktionsumfang und die Funktionskomplexität sind so groß, dass eine Spezialisierung eines Entwicklers durchaus Sinn macht. Aber hier darf man heute durchaus erwarten, dass fertige App-Module in den Schubladen der Entwickler bereitliegen.