Das iPad hat das Zeug, in der Mediensozialisation das erste Gerät zu werden.
Aufgrund seiner Multifunktionalität und Bedienbarkeit erlaube es das Tablet auch den ehemals Digital Excluded, vor allem Kindern und Senioren, mit der Technologie intuitiv umzugehen. Bereits Kinder würden in den sich selbst erfüllenden iPad Hype einbezogen, so Ziems. Ob das iPad Medien wie Bücher, TV und Hörkassetten wirklich ablösen wird, sei zum heutigen Zeitpunkt schwer zu prognostizieren. Offen sei auch die Frage, wie das iPad aus entwicklungspsychologischer Sicht zu bewerten ist. Ist es möglich, dass das iPad den Weltzugang der Kinder einschränkt? Ziems machte deutlich, dass in diesem Bereich Forschungsarbeit zu leisten und ein durchaus kritischer Blick angebracht ist.
Axel Dammler (iconkids & youth) sprach in seinem Vortrag über kindliche Lebenswelten und die Rolle der Eltern auch das Problem der fehlenden Markttransparenz an: „Der Konsument ist auf der Suche nach einer Struktur“. Es gibt zahlreiche Apps unterschiedlichster Produzenten und Preiskategorien, deren Rankings und Nutzerwertungen qualitativ höchst unterschiedlich ausfallen. Hier besteht eine Chance für etablierte Marken der Offline-Welt: „Marken, die ich kenne, schaffen eine Orientierungsfunktion“, so Dammler.
Weitere Möglichkeiten, sich am Markt durchzusetzen sieht Annika Hartmann (Bastei Lübbe) beim thematischen Schwerpunkt Edutainment, nach vor ein starkes Verkaufsargument, sowie in der Produktion ganzer App-Reihen. Letzteres bestätigt auch Consultant und Autorin Louise Carleton-Gertsch, die in ihrer Best Practice-Präsentation einen Überblick über herausragende Projekte made in USA and UK gab. Stand-Alone-Apps seien dort kaum noch zu finden, weil sie in der Masse untergingen.
Überhaupt lohnt ein Blick über den Tellerrand, um sich über mögliche Erfolgsfaktoren bewusst zu werden. Im englischsprachigen Raum waren in den letzten Monaten Kinderbuchapps beliebt, die es vermochten, sowohl thematisch einen Familienbezug herzustellen, weil Eltern die Stoffe in ihrer eigenen Kindheit bereits lieben gelernt hatten, als auch gestalterisch verschiedene Ansprüche zu vereinen. So sei es Eltern wichtig, den Eindruck des echten Buchlesens transportiert zu sehen, während Kinder eher die Erwartung an ein multimediales Erlebnis aufbauen. Im Fokus müsse jedoch die Geschichte stehen, erinnerte Carleton-Gertsch.
Auch wenn der Markt jung ist, es gibt unzählige Wettbewerber aus der Multimedia- und Spieleindustrie mit Produkten unterschiedlichster Güte. Der Kunde sammelt Erfahrungen und baut Erwartungen an die Gestaltung einer App auf. „Welchen Umfang die Animationen haben sollten, ist genau zu überlegen“, meinte Jaroslaw Kaschtalinki beim Round Table-Gespräch zum Thema App-Design. Während in Europa der Fokus auf großen Animationen liege, kämen asiatische Produktionen oft mit schlichten Effekten aus, die nicht minder wirkungsvoll sein müssen.
Welche Apps zukünftig erfolgreich sein werden, welche Endgeräte sich durchsetzen und ob Verlage neben anderen Medienproduzenten in der App-Welt bestehen werden, bleibt abzuwarten. Letztlich befindet man sich auch ein Jahr nach dem ersten Kindermedienkongress und den ersten getanen Schritten noch ganz am Anfang. Möglicherweise gelingt es über die neuen Endgeräte, bildungsferne Schichten für Bücher zu begeistern. Hoffnungsvoll, so klang es in gleich mehreren Beiträgen an, sieht man auch die Chance, über die technologische Komponente Jungen, die für Kinder- und Jugendbuchverlage bislang schwer zu erreichen waren, für das Lesen zu gewinnen.
Das Lesen per se, online wie offline, ermöglicht die Partizipation an unserer Gesellschaft. Jenseits der sich eröffnenden Perspektiven durch Tablets, Smartphones und Co. ist die Kulturtechnik nach wie vor förderungsbedürftig, vor allen Dingen schichtübergreifend. Das machte Dr. Joerg Pfuhl (Stiftung Lesen, Random House) mit den vorgestellten Studien zum Thema Lesefähigkeit und E-Books deutlich. Ein gefülltes Bücherregal eines akademischen Haushalts setze nicht voraus, dass Kindern auch vorgelesen werde. Deshalb betonte Pfuhl die Wichtigkeit des Zugangs zu Lesemedien und ihrer Vermittlung als Voraussetzung für lesende Kinder. Sein Appell an die Verantwortlichkeit der Kindermedienproduzenten soll als Schlusswort dieser Zusammenfassung eines spannenden Tages stehen: „Das, was wir tun, hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Relevanz.“