Kleine Verlage müssen näher am Kunden sein denn je

Was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten zehn Jahren im Buchvertrieb getan und wie haben Sie auf diese Veränderungen reagiert?
Echte Herausforderungen waren und sind sicher die extreme Konzentration im stationären Buchhandel, die sich jetzt ja wieder abzuschwächen beginnt, die starke und anhaltende Verlagerung des Umsatzes vom stationären Sortiment ins Internet, die immer kürzer werdenden „Lebenszyklen“ der Novitäten und die zunehmende Schwierigkeit, eine funktionierende Backlist aufzubauen oder zu erhalten. Von der Entwicklung des eBooks möchte ich jetzt gar nicht sprechen.

Kunstmann hat vertrieblich darauf mit einem intensiven Key-Account-Management im Rahmen des Möglichen reagiert, ohne die individuelle Betreuung des kleinen und mittleren Sortiments zu vernachlässigen. Programmatisch haben wir uns mit dem Geschenkbuch ein völlig neues Segment erschlossen und dabei auf „Netzaffinität“ und auch auf mögliche Verwertungen im Nebenmarkt geachtet, das heißt auch den Direktvertrieb intensiviert.

Wie sieht eine Verkaufsstrategie aus, die dem Verlagsprofil entspricht? Wie stimmt man beides optimal aufeinander ab?

Dauerhafte Verkaufserfolge sind ja nur möglich, wenn die Programme unserer Lektoren auch Entsprechendes hergeben. Von Kunstmann werden sicher dem eigentlichen Profil gemäß immer wieder interessante verkäufliche Titel in der Literatur und gerade auch im politischen Sachbuch erwartet. Man traut uns aber ganz offensichtlich auch Themen zu, die auf den ersten Blick im Kunstmann-Programm überraschen – medizinische Themen beispielsweise wie die Bestseller von David Servan-Schreiber oder ein Fußballbuch von Philipp Lahm. Die Händler zu überraschen gehört also zu unserem Profil genauso dazu wie das Bewährte, für das der Verlag steht. Wichtig dabei ist aber immer: Gibt es eine relevante Zielgruppe für ein Buch, können wir sie erreichen und – passt sie zu uns.

Welche Rolle spielen aktuell der stationäre Vertrieb und welche der Online-Vertrieb für Sie, und wie lassen sich beide Vertriebswege sinnvoll miteinander verzahnen?

Der stationäre Buchhandel ist noch immer unser mit Abstand wichtigster Vertriebsweg und wird es auch noch einige Zeit bleiben. Wir wollen und müssen natürlich die steigenden Online-Umsätze nicht nur mitnehmen, sondern optimal entwickeln. Unser Marketing muss beide Vertriebswege bespielen und muss den Leser erreichen, egal ob er der typische Ladenkunde ist oder lieber von zu Hause aus seinen Lesestoff ordert. Social-Media-Marketing und das herkömmliche Marketing beispielsweise müssen sich ergänzen. Außerdem gibt es natürlich Inhalte, die besser da oder dort funktionieren. Auch das sollte man in einer Programmplanung berücksichtigen.

Wie sieht die Buchvertriebswelt der Zukunft aus und wie können sich insbesondere kleine Verlage darauf vorbereiten?

Mit den sogenannten Visionen habe ich immer meine Probleme gehabt. Klar ist – die Buchvertriebswelt wird eine noch vielfältigere sein, ob es nun die Vertriebswege oder die Erscheinungsformen des Buches betrifft. Kleine Verlage müssen näher am Kunden sein denn je, serviceorientierter als die Großen sein, programmatisch mit Kompetenz und Relevanz punkten, nicht nachmachen, sondern innovativ in Ausstattung und Thema sein und – auf jeden Fall: immer mal wieder einen ordentlichen Bestseller landen, der für einige Zeit im Leserhirn verankert bleibt.

 

2023-05-03T16:35:24+02:00
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