Wir sind beweglicher und kreativer im Provisorischen

Visionen 2030: Erschöpfung oder Schöpferkraft? Wie wir in Zukunft arbeiten werden

„Perfektion ist lebensfeindlich. Glück entsteht im Provisorischen“ – Gilt dieses Zitat von Ihnen auch für unsere zukünftige Arbeitswelt?

Ja, absolut. Denn das Problem der Perfektion ist: Sie ist unerfüllbar und man verrennt sich da mit der Zeit immer fester. Das raubt den inneren Freiraum. Das Provisorium hingegen gibt genau diesen Freiraum. Wir sind beweglicher und kreativer im Provisorischen – ich erwähne in dem Zusammenhang immer gern den Kölner Dom: 600 Jahre Dombau-Provisorium! Für das Arbeitsleben bedeutet das: Wir brauchen keine Arbeitswelt, die komplett durchgetaktet ist, die permanent nur verlangt, Benchmarks zu erfüllen, die nur auf Controlling und Planziele setzt und sich in der Formalisierung verheddert – sondern eine, die grobe Leitideen vorgibt, innerhalb derer jeder einzelne Freiraum bei der Umsetzung hat.

Und das gilt für alle Bereiche?

Je kreativer die Arbeit, desto wichtiger ist natürlich der Freiraum. Aber selbst ein Fließbandarbeiter braucht einen gewissen Freiraum – sonst flüchtet er sich in Tagträume. Eine Qualitätskontrolle am Ende sollte übrigens auch für jede Arbeit stattfinden.

Wie sieht es denn mit Medienberufen bzw. solchen in der Verlagsbranche aus?

Zunächst einmal kurz zur Generation Biedermeier: Das Biedermeiertum der Jugend erwächst aus einer inneren Not. Im Gegensatz zur 68er-Generation, die träumte, aus der Enge auszubrechen, erleben die Jugendlichen heute das Gefühl, in einer brüchigen Welt zu leben. Alles erodiert, zerreißt: Der Euro stürzt in die Krise, Familienstrukturen brechen auseinander, Politiker verschwinden sehr plötzlich etc. etc. Klar, dass sich junge Menschen da Verlässlichkeit wünschen – und das gilt auch und vor allem für die Arbeitswelt. Es geht ihnen weniger um tolle Karrierechancen und ein hohes Einkommen, als vielmehr um Ankommen. Sie wollen im Job Beständigkeit und Work-Life-Balance.

 

…aber wollen sich die jungen Leute von heute denn im Beruf nicht weiterentwickeln?

Doch, am Arbeitsplatz soll Entwicklung durchaus möglich sein – aber in einem fest gefügten Korridor und unter Anleitung. Sicherheit und Beständigkeit sind die übergeordneten Wünsche. Das gilt auch für Berufe in der Verlags- und Medienwelt: Wenn Sie gute Kräfte möchten, bieten Sie Ihnen feste Arbeitsplätze und eine gewisse Beständigkeit!

 

Crossmedia-Produktmanager, Social-Media-Redakteur, Projektmanager Mobile Publishing – es gibt immer neue Jobprofile, natürlich nicht nur im Medienbereich. Man verliert den Überblick. Fluch oder Segen für die nachwachsenden Generationen?

„Fest“ und „beweglich“ befinden sich immer in einem Ergänzungsverhältnis. Wenn der Rahmen stimmt – feste Arbeitszeiten, Aufstiegsplan, unbefristetes Anstellungsverhältnis – dann kann ich im festen Rahmen sehr beweglich sein. Dann bin ich auch bereit, mich auf Neues einzulassen. Daher und als Antwort auf Ihre Frage: Die vielen neuen Jobprofile sind eher ein Segen denn ein Fluch für die nachwachsenden Generationen. Denn die Jugendlichen sind gerade im Bereich der Neuen Medien – und hier entstehen diese Jobs ja vor allem – sehr beweglich und virtuos. Sie bringen einen ganz anderen Zugang zu diesen Themen mit als wir, sehen neue Formen der Werbung wie Word of Mouth mit anderen Augen. Und eines ist klar: Auch eine Generation Biedermeier braucht das Gefühl, Pioneer zu sein, was Neues zu machen – und nicht die Pfade der Eltern auszutrampeln.

Eine Übersicht zu unseren Seminaren rund um persönliche Kompetenzen finden Sie auf unserer Website.

 

2023-04-26T15:03:26+02:00
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