‚Inspiration ist Pflicht, Faszination ist Kür!‘: Wie Fachzeitschriften zum Inspirationsmedium werden

Kilian Müller, Geschäftsführer publish-industry Verlags

Fachzeitschriften dürfen nicht nur Spaß machen – sie müssen es sogar, sagt Kilian Müller, Geschäftsführer des publish-industry Verlags. Kilian Müller wird seine Thesen auf dem 2. Zukunftsforum Zeitschriften in München vortragen. Im Interview mit Ehrhardt F. Heinold erläutert er, wie sein Verlag technische Fachzeitschriften zu einer spannenden Inspirationsquelle macht.

 

 

 

Ehrhardt F. Heinold: ‚Zukunft Fachzeitschrift – durch Faszination und Inspiration ein unverwechselbares Profil schaffen‘ lautet der Titel ihres Vortrags auf dem Zukunftsforum Zeitschriften. Wie können technische Fachzeitschriften faszinieren?
Kilian Müller:
Technik per se ist faszinierend – sie ist die Triebfeder des Fortschritts in unserer globalen Gesellschaft! Allein technische B2B-Medien konzentrieren sich heute oftmals ausschließlich auf technische ‚Hardfacts‘, im schlimmsten Falle ausschließlich auf die Produktankündigungen/-beschreibungen der Hersteller. Man zeigt nicht, wo und wie vielfältig Technik eingesetzt wird, welche Menschen die Treiber hinter den Technologien sind, was sie bewegt und motiviert. Unsere Leser sollen wissen, worauf sie sich freuen können: Begeisternde Technik, die emotional inszeniert wird; relevantes Fachwissen, das verständlich vermittelt wird; und vor allem Inspiration durch Menschen und Meinungen, übertragbare Best-Practice- und Anwendungsbeispiele und schließlich eine starke Bildsprache. Wissen fasziniert, wenn es entsprechend präsentiert wird!

 

Ehrhardt F. Heinold: Wie verändert sich die gedruckte Zeitschrift durch den Umbau in ein faszinierendes Medium?
Kilian Müller:
Jede Medienmarke muss – um überlebensfähig zu sein – ein unverwechselbares Profil entwickeln, das der Leser klar erkennen kann und für das er die Marke wertschätzt. Dazu ist die Definition expliziter Markenwerte unausweichlich. In unserem Wertekatalog spielt die ‚Faszination‘ eine tragende Rolle. Faszination muss beim Blättern der Zeitschrift erlebt werden, d. h. Haptik, Optik und Inhalt spielen zusammen. Ein klar unterscheidbarer Titel, das emotionale Design & Layout und die bewusste Heftdramaturgie mit positiven Irritationen und Überraschungen , die den Leser immer wieder durch entsprechende redaktionelle Formate oder Bildstrecken zum Anlesen einlädt, machen die Faszination jeder neuen Ausgabe eines Titels aus.

 

Ehrhardt F. Heinold: Wie stehen Ihre Redaktionen zu diesem Veränderungsprozess?
Kilian Müller:
Für die Redaktionen war der Veränderungsprozess zu Beginn eine große Herausforderung. Viele Fachredakteure im Technikumfeld verstehen sich eher als Textredigierer denn als technische Journalisten. Dass muss sich ändern, denn viele Beiträge werden nun selbst verfasst, unterschiedlichste redaktionelle Formate umgesetzt, jeder Artikel inszeniert. Die Widerstände schwinden, wenn die Redaktionen die vielfältigen Möglichkeiten erkennen, die mit dem neuen Ansatz einhergehen. Außerdem macht es viel mehr Freude, wenn auf Ausgaben oder einzelne Berichte explizite Feedbacks kommen, in denen Aufmachung oder Umsetzung gelobt werden.

 

Ehrhardt F. Heinold: Gibt es schon Kundenreaktionen?
Kilian Müller:
Sowohl von Leser- als auch von Werbekundenseite haben wir im zurückliegenden Jahr vielfältige positive Rückmeldungen bekommen. In einer ersten Reaktion schrieb uns ein Leser, dass er zum ersten Mal seit vielen Jahren eine Fachzeitschrift aus seinem beruflichen Umfeld wieder von vorne bis hinten durchgelesen hätte. Hier ein weiteres, zitiertes Feedback aus dem Oktober 2010:

‚Ich finde Wissenschaft muss Spaß machen, und Ihr Magazin zu lesen macht Spaß! Es erinnert mich fast an meine Jugend, wenn ich die neuesten Ausgaben von P.M. und Hobby verschlungen habe. Dadurch wurde mein Interesse an der Technik geweckt. Die Beiträge in Ihrem Magazin sind auf hohem Niveau und Sie arbeiten mit erstklassigen Bildern. Es ist einfach toll – auch gerade für junge Leser – wenn man zum Beispiel ein Schnittbild eines Windgenerators sieht oder das Rendering einer grünen Stadt der Zukunft. Ideen beginnen zu fließen, man liest den Artikel, Fragen tauchen auf, Neugier entsteht und das ist die Grundlage für spannende Forschung.‘

 

Ehrhardt F. Heinold: Ist die Orientierung in Richtung Faszination und Inspiration eine Antwort für alle gedruckten Fachzeitschriften?
Kilian Müller:
Inspiration ist Pflicht, Faszination ist Kür! Wie ist diese Antwort zu verstehen? Wir sind der Auffassung, die veränderte Rolle der Zeitschrift im Medienmix ist nicht mehr die des Informationsmediums, sondern des Inspirationsmediums. Die Zeit und Aufmerksamkeit widmet der Leser einer Zeitschrift in der Erwartung etwas zu finden, das er/sie nicht explizit gesucht hat. Sucht man eine explizite Information, sind anderen Medienkanäle schneller und effizienter. Also muss sich die Zeitschrift als Inspirationsmedium perfektionieren. Faszination ist dabei ein Stilmittel, eine Ausprägungsform der optischen und inhaltlichen Umsetzung. Wir haben uns bei publish-industry der Ausrichtung ‚Faszination Technik‘ verschrieben – schaffen darüber unverwechselbare Medienmarken. Andere Medien müssen für sich eigene Markenwerte definieren, sonst sind sie wiederum austauschbar!

 

Ehrhardt F. Heinold: Wie relevant ist das Internet für Ihre Leser? Wird das der primäre Informationslieferant?
Kilian Müller:
Das Internet ist bereits der primäre Informationslieferant! Glücklicherweise benötigt der Mensch (auch im beruflichen Umfeld) mehr als die reine Information…

 

Ehrhardt F. Heinold: Welche Erwartungen haben Anzeigenkunden an Ihre Fachmedien? Ist Online schon relevant neben Print?
Kilian Müller:
Die Werbekunden im B2B-Bereich sind sehr verunsichert bei der Planung und Verteilung ihrer Budgets. Jeder will oder soll auf Anweisung seiner Geschäftsführung mehr im digitalen Bereich machen, weiß aber nicht wo und wie. Die Unsicherheit ist verständlich, wird doch jedes Jahr eine ’neue Sau durchs Dorf getrieben‘, der man unbedingt folgen muss. Selbstverständlich müssen Verlage digitale Medien schaffen und sinnvolle Werbeformate kreieren.Allerdings ist dies leichter gesagt als getan! Aus unserer Sicht wird mobile Verfügbarkeit das große Thema der Zukunft sein.

 

Ehrhardt F. Heinold: Was wird Ihre Kernbotschaft auf dem Zukunftsforum Zeitschriften sein?
Kilian Müller:
Verlage, verliert eure Kernprodukte nicht aus den Augen! Stärkt sie, schärft sie und redet sie beim Kunden nicht kaputt!

2010-11-16T09:30:55+01:00
Tel.: 0049 89 29 19 53 0
Schreiben Sie uns!
FAQ