Agil sein – aber wie?

Der Begriff Agilität ist in aller Munde. Doch was steckt wirklich dahinter? Wie können agile Prinzipien dabei helfen, die digitale Transformation erfolgreich zu bewältigen? Und wie kann eine Organisation tatsächlich agil aufgestellt werden? Lesen Sie unser Experteninterview mit Dr. Marco Olavarria

Aktuell ist überall von agilen Vorgehensweisen und Methoden wie Scrum, Kanban oder Design Thinking die Rede. Warum hat das Thema gerade jetzt Hochkonjunktur?
Mit der digitalen Transformation wird Veränderung von der Ausnahme zum Normalfall. Das erfordert ein Management, das eine positive Haltung zu Veränderung fördert und alle Beteiligten befähigt, möglichst gut mit beständiger Veränderung umzugehen. Immer mehr Unternehmen in immer mehr Branchen erkennen, dass ein „weiter wie bisher“ bei Führung, interner Zusammenarbeit und Innovationsmanagement nicht ausreicht, um zu bestehen. Daher suchen sie nach Alternativen. Unter dem Begriff „agil“ versammeln sich viele Ansätze, die in Zeiten stetiger Veränderung besser geeignet sind als hierarchische und vermeintlich partizipative Management- und Führungsansätze. Daher steigt das Interesse an agilen Vorgehensweisen und Methoden spürbar. Das ist gerade für die Medienbranche eine wichtige Entwicklung, da tatsächlich immer noch sehr viele Medienhäuser nach tradierten Ansätzen geführt werden.

Und was macht im Gegensatz hierzu ein agiles Mindset tatsächlich aus?
Ein Unternehmen ist agil, wenn es nach agilen Prinzipien agiert. Also zum Beispiel in hohem Maße anpassungsfähig ist, die eigenen Verhaltensweisen immer wieder infrage stellt und sich beständig weiterentwickelt. Das erfordert einen hohen Reifegrad auf Ebene der Führung und der Mitarbeiter. Ein agiler Kopf arbeitet hierfür gegen blinde Flecken in der eigenen Wahrnehmung an, hat Freude an Feedback und Kritik und überträgt Verantwortung auf viele. Hierbei ist ihm wichtig, dass diese Verantwortung nicht nur klar zugewiesen, sondern auch angenommen wird. Er schafft aktiv die besten Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter, bevorzugt die Arbeit in crossfunktionalen Teams und liebt direkte, dialogische Kommunikation. Wenn er dann noch die ständige Weiterentwicklung der Menschen im Sinn hat und noch einige andere Prinzipien lebt, dann wäre das ein agiles Mindset. Sie merken schon: Das sind viele Anforderungen, die man nicht mal eben im Vorbeigehen erfüllt.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die größten Herausforderungen für Unternehmen bzw. wo passieren am häufigsten Fehler beim Implementieren neuer agiler Strukturen und Arbeitsformen?
Man sollte sich nichts vormachen: Im Kern geht es bei agilen Ansätzen darum, dass alle Beteiligten in kürzerer Zeit mehr leisten und dabei einen hohen Grad an Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit aufweisen. Und das ohne Menschen, Teams oder gar die ganze Organisation auszubrennen. Ziel ist also ein nachhaltiges Agieren auf Top-Niveau. Das funktioniert aber nicht, wenn grundlegende Erkenntnisse darüber, wie Menschen gut zusammenarbeiten und ihre volle Leistungsfähigkeit einbringen können, ignoriert werden. Nur ein Beispiel hierzu: In vielen Unternehmen werden immer mehr Projekte und Initiativen parallel aufgesetzt. Das fordert gerade die Leistungsträger heraus. Versetzen wir uns einmal in deren Lage: Je mehr Themen ich parallel bearbeite, desto mehr Zeit muss ich für den Kontextwechsel von einem Thema zum nächsten aufwenden. Diese Zeit fehlt mir dann für die eigentliche Bearbeitung der Themen. Wer also Vorgänge parallelisiert, verschwendet Ressourcen und erhöht das Stresslevel der Bearbeiter. Wir sollten lieber Dinge nacheinander bearbeiten, für einen stetigen Arbeitsfluss sorgen und hart daran arbeiten, jeden Tag ein bisschen besser zu werden, um Störfaktoren und Demotivation zu verringern. Einer der größten Fehler ist es daher, sich nicht intensiv mit Zielen, Wirkungsweisen sowie Chancen und Risiken agiler Ansätze zu beschäftigen. Und ein weiterer Fehler ist es, agile Ansätze einzuführen, ohne das eigene Führungsverhalten zu hinterfragen. Und noch ein abschließender Hinweis: Der Weg zu echter Agilität ist weit und nicht eben mal in einem Quartal zu schaffen.

Können Teams auch im Kleinen agile Prinzipien umsetzen oder braucht es dafür eine fundamentale Veränderung der gesamten Organisation?
Kurzfristig ja. Teams sind eine gute Keimzelle für das Ausprobieren agiler Praktiken und Methoden. Aber sie stoßen schnell an Grenzen, wenn sie eine einsame kleine Agilitäts-Insel in einem Meer aus Bürokratie bilden. Langfristig braucht es in den meisten Unternehmen daher Veränderungen auf mehreren Ebenen. Einige habe ich schon angesprochen: das Thema Führung, die Kommunikationsflüsse, die Entscheidungswege, die Zuordnung und Akzeptanz der Verantwortlichkeiten. Aber auch die Ziel- und Anreizsysteme gehören in vielen Unternehmen auf den Prüfstand.

Was ist Ihrer Ansicht nach die größte Chance eines agilen Organisationsdesigns – für Unternehmen und Mitarbeiter?
In unserer Beratungspraxis setzen wir agile Prinzipien an den verschiedensten Stellen ein. Das umfasst die Optimierung der Arbeitsorganisation in einzelnen Teams mit Kanban, die Implementierung von agilen Frameworks für Marketing und Kommunikation, die Optimierung von Prozessen und Entwicklung von Strategien nach agilen Prinzipien bis hin zum Organisationsdesign nach agilen Leitlinien. Warum ist das so? Weil jedes Unternehmen an einer anderen Stelle in seiner Entwicklung steht und ganz eigene Herausforderungen hat. Die größte Chance ist daher aus meiner Sicht, mithilfe von agilen Ansätzen ein fundamentales Umdenken über die Art und Weise, wie wir in Unternehmen zusammenarbeiten, anzustoßen. Wir müssen Organisationen lebenswert gestalten!

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