Liebe Frau Tenorth, Medienunternehmen kommen auf Sie zu und suchen Beratung bezüglich der crossmedialen Medienproduktion. Um welche Herausforderungen geht es da konkret?
Die große Herausforderung bei der crossmedialen Medienproduktion ist die Synchronisation und Organisation von gleichen Inhalten für verschiedene „Medienträger“. Die Produktion im Printbereich ist inzwischen bei vielen Unternehmen standardisiert und optimiert auf die Printausgabe, der digitale Bereich ist in der Regel später dazu gekommen und muss „on-the-top“ mit bedient werden. Und zwar so, dass die Printproduktion auch noch funktioniert. Und da fängt es an, schwierig zu werden. Für die digitale Produktion hat man neue Kunden, neue Vertriebsmodelle, neue Anforderungen in der Vermarktung und braucht für all das andere Kompetenzen, um die Produktion reibungslos und effizient zu machen. Wird „einfach“ mit der Printmannschaft nun auch digital produziert, muss man Kompetenz aufbauen oder sich auf Dienstleister verlassen, stellt man digitale Spezialisten ein, muss man den Transfer zwischen alt und neu, print und digital gewährleisten und vernetzen. In beiden Fällen muss man aber eines machen: Transparenz schaffen über das, was zu tun ist, und d.h. für mich Prozesse beschreiben und Zuständigkeiten regeln, damit der Output termingerecht und in der entsprechenden Qualität zur Verfügung steht. Und vor allem: dass das nicht nur einmalig funktioniert, sondern auch skalierbar ist für die regelmäßige Produktion.
Viele Unternehmen produzieren jetzt schon einige Jahre auch digitale Produkte – warum ist „Crossmedial produzieren“ immer noch eine Herausforderung?
Weil Unternehmen Systeme sind, die über viele Jahre Unternehmenskulturen entwickelt haben, die nicht unbedingt zu den sich sehr dynamisch entwickelnden digitalen Möglichkeiten passen: stetig neue Features der Devices, neue Anbieter und Verhandlungspartner, neue Vertriebs- und Honorarmodelle, Verschiebung des Business von B2B zu B2C. Die Digitalisierung macht die Welt komplex, dynamisch und unsicher, man muss die Ambivalenz aushalten zwischen beibehalten und abstellen, neu aufstellen bei gleichzeitiger Bereitschaft, alles wieder zu verändern.
Das erfordert ein hohes Maß an Transparenz über die Produktionsprozesse im Unternehmen und die Workflows in der (automatisierten) Datenwelt. Und natürlich ein Verständnis aller an der Produktion Beteiligten über Mechanismen und Ereignisse, die einen Prozess in Gang setzen oder steuern. Die Rahmenbedingungen, in denen der Prozess abläuft. Die Standards, die ein Prozess braucht. Die Zuständigkeiten, die für einen Prozess geklärt werden müssen. Damit im sehr wahrscheinlichen Fall der Veränderung der Rahmenbedingungen die Prozesse schnell angepasst werden können.
Wie passt da eine oft als statisch empfundene Methode des Prozessmanagement dazu?
Ich glaube, sehr gut – allerdings nur, wenn man versteht, was die Methode leisten kann und was nicht. Man muss Prozessmanagement in der Medienproduktion anders einsetzen als z.B. in der Automobilproduktion. Der Gewinn durch Einsatz der Methode liegt auch in der Automatisierung, aber dieses Ziel ist in vielen Medienunternehmen zweitrangig, weil der „Automatisierungs-Part“ beim Dienstleister liegt. Aber die Vorarbeiten dafür, dass es reibungslos und effizient läuft, werden in den Medienunternehmen gemacht. Und da reicht es einfach nicht, erst am Ende z.B. einer Buch- oder Zeitschriftenentwicklung darüber nachzudenken, wie man das Ganze auch digital vermarkten kann. Oder wie man aus einem „Digital-First-Produkt“ hinterher ein Printprodukt macht. Oder aus einer Zeitschrift ein Abo-Modell für Portalkunden. Oder wie man Zeitschriften-Abokunden auch zu Seminar-Kunden macht. Und wie man die Inhalte aufbereiten muss, damit all das funktioniert. Man muss verstehen, was die Kunden erwarten bzw. wofür sie bereit sind zu zahlen im jeweiligen Medienkanal, und das muss in die Entwicklungs- und in die Produktionsprozesse einfließen. Und ein Unternehmen-übergreifendes Prozessverständnis, am besten gestützt durch die Unternehmensorganisation und idealerweise auch Teil der Unternehmenskultur, schafft die Kompetenz für die kontinuierliche Verbesserung (KVP), aber auch Veränderung der Prozesse an dynamische Bedingungen (VUCA).
Vielen Dank für die Einblicke in Ihre Beratungsprojekte liebe Frau Tenorth!
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