Strategische Programmplanung im Verlag – Heute wichtiger denn je?

Dr. Harald Henzler, Experte für die Entwicklung digitaler Angebote und Referent bei der Akademie der Deutschen Medien im Interview zum Thema strategische Programmplanung.

Herr Dr. Henzler, warum ist eine strategische Planung von Verlagsprogrammen heute wichtiger denn je?
Die zwei wesentlichen Gründe dafür sind zum einen die hohen Kosten für die Technologie, zum anderen die Fokussierung auf Zielgruppen, die man auch erreicht und bedienen kann.
Technologie heißt dabei nicht nur Technologie für Produkte, sondern auch das Backend, die technologische Infrastruktur im Verlag. Hierzu gehören finanzielle Invests in das CMS, in ein gutes CRM oder auch in einen kostengünstigen Produktionsablauf. Diese Kosten bekomme ich nur in den Griff, wenn ich eine klare Produktstrategie verfolge.

Die in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass in vielen Häusern für die Produktion von Apps, enhanced E-Books oder CMS oft viel Geld und Zeit eingesetzt wurden, die sich nicht gerechnet haben. Häufig wurde Technologie gekauft und aufgebaut, ohne dass man dazu schon das Portfolio hatte oder auch klar war, in welche Richtung das Portfolio entwickelt werden sollte. Man hat das Pferd von hinten aufgezäumt. Und sowas kostet.

Der zweite Grund liegt in den stetig wachsenden Anforderungen der Zielgruppen an die Produkte, ihre Qualität und programmatische Vielfalt. Wir können heute nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen und Apps, gedruckte Bücher, Zeitschriften und Portale gleichermaßen gut und intensiv entwickeln. Und das heißt, dass wir genauer auf die Kunden eingehen müssen, die wir kennen und bei denen wir das eigene Angebot gut platzieren können. Wir brauchen einen Filter, um Ideen schneller bewerten zu können und uns auf das zu konzentrieren, was unsere Zielgruppen wirklich brauchen.

Widerspricht eine strategische Programmplanung im Verlag nicht dem Prinzip der agilen Produktentwicklung?
Nein, im Gegenteil. Wenn man die strategische Programmplanung richtig einsetzt, kann man durch sie die Schwerpunkte erkennen, die für die nächsten Jahre bedeutend sein werden. Man darf sich nur nie sklavisch an einmal erstellte Pläne halten, sondern muss in regelmäßigen Abständen die Strategie überprüfen. Manchmal stimmen die Annahmen noch, die man über den Markt gemacht hat, manchmal nicht. Und dann muss man natürlich den eingeschlagenen Weg ändern. Dass man im Unternehmen mit zwei oder drei „Geschwindigkeiten“ operiert und in einem Geschäftsfeld rasch handelt und in einem anderen konstant auf Rendite hin optimiert, ist heute wichtiger denn je. Um aber das eine Geschäftsfeld vom anderen unterscheiden zu können, braucht man eine klare Bewertung von Chancen und Risiken im jeweiligen Programmbereich, im jeweiligen Portfolio. Und dazu braucht es die strategische Programmplanung.

Wie passen die strategische Programmplanung und Innovation im Verlag zusammen?
Zunächst einmal sind Innovationen in der Regel ja kein einmaliger, großer Wurf, sondern meistens positive Veränderungen in kleinen Schritten. Ein gutes Beispiel ist die Anpassung der Paywalls bei der NYT über die Jahre.

Eine strategische Programmplanung gibt eher Leitplanken vor und zeigt, wo sich Innovationen lohnen. Wenn mein bisheriges Geschäftsmodell mit gedruckten Büchern noch einigermaßen gut läuft, macht es in der Regel wenig Sinn, in Formate wie Apps oder enhanced E-Books zu investieren. Dann sollte man z.B. mehr Kreativität in die Sichtbarkeit der eigenen Titel im Netz investieren. Diese Richtlinien erhält man durch eine gute Planung. Und auch hier gilt, dass die Planung nicht heißt, dass der einmal gemacht Plan unverändert bleibt. Ändern sich die Rahmenbedingungen, muss der Plan angepasst werden. Zu jeder Planung gehören Meilensteine und eine Überprüfung der Grundannahmen. Und hier muss immer kreativ und innovativ nach den besten Lösungen gesucht werden.

Wichtig sind hier vor allem die Haltung, die man zur Planung hat, und der Umgang mit Vorgaben. Es ist im Idealfall ein dauerndes Wechselspiel, um flexibel auf den Markt reagieren zu können und trotzdem schnell zu sein, weil man nicht immer wieder alles neu in Frage stellt und jeden Monat neu in langen Besprechungen darüber diskutiert, ob man jetzt auch einen eigenen Shop braucht oder nicht. Bestimmte Entscheidungen müssen für einen festgelegten Zeitraum getroffen werden, um schneller handeln zu können.

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